Konservative Behandlungen der Adipositas

Unter konservativer Behandlung der Adipositas versteht man eine Therapie zur Umstellung des Lebensstils: Ernährung, körperliche Aktivitäten, Schlafgewohnheiten, Stress und weitere Themen gehören dazu. Ein Ernährungskonzept, körperliches Training, gegebenenfalls verhaltenspsychologische Unterstützung oder eine medikamentöse Therapie gehören zu den Massnahmen. Ergänzend können auch alternativmedizinische Konzepte zum Einsatz kommen wie Hypnose und traditionelle Chinesische Medizin. Zur konservativen Therapie zählen wir auch eine Untergruppe der Therapie, nämlich die konservative gastroenterologische Therapie der Adipositas mit Anlage eines Magenballons oder eines EndoBarrier®.


Umstellung der Ernährung statt Hungerdiäten

Die Ernährung wird auf den Esstyp und die Laborparameter abgestimmt. Neben der Optimierung der Quantität beinhaltet die Ernährungsumstellung auch eine Verbesserung der Qualität. Für 50 % unserer Patienten und Patientinnen ist auch entscheidend, wann sie was essen.

Die erste Sättigung wird einerseits durch das aufgenommene Essvolumen und damit durch die Dehnung des Magens ausgelöst. Anderseits wird sie durch eine geringe Menge Kohlenhydrate, die im Zwölffingerdarm einen chemisch Reiz auslöst, bestimmt. Eine nachhaltige Sättigung wird dagegen besser durch eiweisshaltige Speisen erreicht.

Aus vielen Studien wissen wir, dass der komplette Verzicht auf einen der drei Hauptmakronährstoffe (Kohlenhydrate, Eiweisse, Fette) wenig Sinn macht. Fettkalorien einzusparen ist am leichtesten, denn heutzutage kann man ja auch trotz Fettreduktion kreativ und geschmackvoll kochen. Noch vor dem Kochen kommt das Einkaufen. Bereits beim Aussuchen der Produkte kann man grossen Versuchungen entgehen bzw. Kalorien deutlich meiden. Wir unterstützen Sie mit verschiedenen Trainingsmodulen.

Viele Patienten und Patientinnen profitieren von einer Optimierung der Kohlenhydrate mit Verzicht auf Kohlenhydrate zu den Zwischenmahlzeiten und zum Nachtessen. Während einer Gewichtsreduktion ist die Sicherstellung der Eiweisszufuhr von grosser Bedeutung. Dies gilt besonders nach einem chirurgischen Eingriff zur Behandlung der Adipositas. Wir beraten Sie hier auch gern zum Sinn und Unsinn zusätzlicher Ernährungsprodukte.

Unsere Ernährung erfüllt neben der biologischen Notwendigkeit auch soziale und psychologische Faktoren. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Stress und Ärger auch weggegessen werden. Ein derartiges kompensatorisches Essverhalten weisen viele Menschen auf. Der Übergang zu einer Essstörung kann fliessend sein. Bei ausgeprägten Essstörungen ist eine psychotherapeutische Behandlung unumgänglich. Zu diesen Störungen werden z.B. das «Binge Eating» (Essattacken) und das «Nightly Eating» (nächtliche Esssucht) gerechnet.

Trotz aller Überwachung und auch Beachtung einer möglichst langsamen Gewichtsabnahme (0,5 kg pro Woche ist optimal), kann der Verlust von Muskelmasse nicht verhindert werden. Neben der Reduktion der Muskulatur bewirkt auch die Gewichtsabnahme selbst eine Reduktion des Energieumsatzes. Einerseits benötigt man weniger Energie in Ruhe, da man weniger Muskulatur hat, anderseits wird auch bei jeder Bewegung weniger Energie verbraucht, da man weniger Gewicht mit sich herumtragen muss.

Das bedeutet letztendlich, dass der Energieverbrauch zum Beispiel nach einer Gewichtsreduktion von 2000 kcal auf 1400 kcal absinken kann. Konsumiert der/die erfolgreiche Gewichtsreduzierer/Gewichtsreduziererin 1600 kcal am Tag, wird das Gewicht wieder ansteigen – der bekannte Jo-Jo-Effekt. Man muss also nach einer erfolgreichen Gewichtsabnahme, nur um das erreichte Gewicht aufrechtzuerhalten, dieselben Anstrengungen unternehmen wie zur Gewichtsreduktion, was oft sehr schwierig durchhaltbar ist. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist die körperliche Aktivität.

Das Zentrum für Ernährungsmedizin Winterthur (Zermed), welches sich in den Räumlichkeiten von Adimed befindet und eng mit uns zusammenarbeitet, ist spezialisiert auf Ernährungsberatung. Sie können sich direkt anmelden unter Telefon 052 235 05 07 oder hier per Mail.


Körperliches Training erhöhen

Die alleinige Reduktion der Energieaufnahme ist langfristig ungenügend. Zusätzlich sollte der tägliche Energieverbrauch erhöht werden. Hierbei hilft Ihnen zum Beispiel ein Schrittzähler, 6000 Schritte pro Tag sollten Sie im Minimum erreichen. Neben diesem gibt es noch viele andere kleine, vor allen Dingen elektronische Helfer, welche die Motivation erhöhen können. Versuchen Sie doch einmal die 7-Minuten-Workout-App 1/Tag. Glauben Sie uns, Sie können mächtig in Arbeit kommen mit nur 7 Minuten Training. Auch gemeinsame Aktivitäten mit einem Freund/einer Freundin oder Ihrem Partner/Ihrer Partnerin können mehr Raum und Freude an Aktivität bringen. Wie wäre es mit einem Tanzkurs? Viele unserer Mitarbeitenden sind sportlich gut unterwegs und probieren viele Dinge aus. Bitte sprechen Sie uns gern persönlich auf Ihre Gedanken zum Thema Bewegung an. Wenn aber bereits deutliche Begleiterkrankungen und auch Erkrankungen am Bewegungsapparat vorliegen, benötigen Sie professionelle Hilfe bei der Steigerung der körperlichen Aktivität. Gern bieten wir Ihnen mit unserem Kooperationspartner Medbase mittels Physiotherapie einen Einstieg ins Training an. Sie können bei uns auch längerfristig in einer medizinischen Trainingstherapie in Kleingruppen arbeiten.

Verhaltenspsychologische und psychologische Unterstützung

Sehr häufig existiert nicht nur ein Grund, warum Menschen übergewichtig werden und auch bleiben. Meist entsteht eine regelrechte Verkettung von Problemen, aus welchen der/die Betroffene nicht allein herausfindet. In der Therapieforschung zu Übergewicht zeigt sich diesbezüglich, dass eine Kombination aus Psychologie, Ernährungstherapie und ärztlicher Begleitung bessere Therapieerfolge aufweist als einzelne Therapiebausteine alleine. Der Zuzug einer individuellen psychologischen Unterstützung kann somit dabei helfen, langfristige Gewichtsziele zu erreichen.

Mittels Werkzeugen der Verhaltenstherapie werden die Patienten/Patientinnen darin geschult, schwierige Ess-Situationen zu erkennen und zu beobachten, indem Essverhaltens-Ketten erstellt werden. Anschliessend werden die Patienten/Patientinnen angeleitet, aus den gewonnen Erkenntnissen Verhaltensänderungen zu planen und umzusetzen. Im weiteren Verlauf können auch kritische Gedanken und Überzeugungen zum Körperbild oder zur eigenen Person hinterfragt und umformuliert werden.

In einigen Fällen nimmt das Essverhalten gar Züge einer regelrechten Essstörung an: bei der sogenannten Binge-Eating Störung erleben Patienten/Patientinnen mehrmals im Monat einen Kontrollverlust im Essverhalten und essen dann in kurzer Zeit sehr viele Lebensmittel durcheinander. Dabei können sie ihr Verhalten nicht mehr selber steuern. Meist werden die Kontrollverluste durch heftige Emotionen wie Wut, Ärger, Trauer oder starken Stress ausgelöst. In solchen Fällen kommen in ihrer Wirksamkeit evaluierte Therapiemanuale zum Einsatz die den Patienten und Patientinnen helfen, ihr Essverhalten und ihre Gefühle wieder selber steuern zu können.

Manchmal zeigt sich im Verlauf einer Behandlung auch, dass die Gewichtssituation nicht das einzige psychisch belastende Problem im Alltag ist. Die psychologische Begleitung kann in solchen Fällen individuell zusammen mit den Patienten und Patientinnen weiter festgelegt und geplant werden. Nicht selten zeigt die Bearbeitung weiterer Themen gar einen positiven Einfluss auf die Gewichtssituation.

Medikamentöse Behandlung

Medikamente werden ab einem BMI von über 30 eingesetzt, wenn die Umstellung des Lebensstils, weniger Fettzufuhr, die Optimierung der Kohlenhydratzufuhr und mehr Bewegung allein nicht ausreichend sind oder der Patient/die Patientin aufgrund von schwerwiegenderen Begleiterkrankungen mehr Gewicht verlieren sollte.

In der Schweiz ist die Injektionstherapie mit Saxenda® (Liraglutide) als Adipositas-Behandlung zugelassen. Der Wirkstoff Liraglutid imitiert das Sättigungsgefühl, das natürlicherweise durch die Ausschüttung des Hormons GLP-1 nach einer Mahlzeit zu Stande kommt. Liraglutide sorgt dafür, dass sich der Magen weniger schnell entleert und steuert zudem Prozesse im Hirn, die für das Sättigungsgefühl verantwortlich sind. 
Gleichartige Medikamente werden schon lange auch in der Diabetes-Therapie eingesetzt, denn sie reduzieren auch den Blutzucker.  
Die Kostenübernahme von Saxenda® durch die Grundversicherung, beantragt durch dafür zertifizierte Adipositas-Zentren mittels Kostengutsprachegesuch an die Krankenkasse, ist dabei an mehrere Faktoren geknüpft:
Ausgangs-BMI ≥ 35 kg/m2: die Behandlung mit Saxenda® wird gergänzt durch eine 500 kcal/Tag-Defizit-Diät, Ernährungsberatung und verstärkte körperliche Aktivität, der Erfolg wird regelmässig durch uns überprüft um eine Verlängerung der zeitlich begrenzten Kostengutsprache bei der Krankenkasse zu beantragen.    
Ausgangs-BMI ≥ 28 < 35 kg/m2: Um ein Kostengutsprachegesuch an die Krankenkasse stellen zu können, müssen auch Begleiterkrankungen vorliegen, z.B. Prädiabetes, Typ 2 Diabetes, arterielle Hypertonie oder Dyslipidämie. Werden die Kosten dann durch die Krankenkasse übernommen, muss die Saxenda®-Therapie ebenfalls unterstützt werden durch eine 500 kcal/Tag-Defizit-Diät, Ernährungsberatung und verstärkte körperliche Aktivität. Wir prüfen den Erfolg regelmässig, um eine Verlängerung der zeitlich begrenzten Kostengutsprache bei der Krankenkasse zu beantragen.    

In der Schweiz ist zur Behandlung von Adipositas auch das Präparat Xenical® (Orlistat) zugelassen. Man darf diese Therapie ab einem BMI von über 35 bei den Krankenkassen beantragen. Bei ordnungsgemässer Einnahme und Einhaltung einer fettarmen Ernährung ist eine anhaltende Gewichtsreduktion nach vier Jahren von durchschnittlich 6,9 kg zu erwarten. Ein Absetzen der Therapie hat eine erneute Gewichtszunahme zur Folge, weshalb das Medikament langfristig eingenommen werden muss. Im Vergleich dazu: Patienten/Patientinnen, welche die gleiche Ernährungsumstellung gemacht haben und ein Placebo erhielten, haben im Durchschnitt 4,1 kg Gewichtsreduktion in einem Jahr erreicht.*

*Gewichtsverlust in Kilogramm vom Ursprungsgewicht mit Xenical®, kombiniert mit Ernährungsumstellung im Vergleich zu Placebo, kombiniert mit Ernährungsumstellung über 48 Monate

Xenical® wird in oraler Form (Kapseln) zu 120 mg üblicherweise dreimal täglich mit den Mahlzeiten oder innerhalb einer Stunde nach den Mahlzeiten eingenommen. Es ist kein Appetitzügler, sondern wirkt lokal im Darm. Die über die Nahrung aufgenommenen Lipide (Fette) müssen im Darm durch Enzyme («Lipasen» aus der Bauchspeicheldrüse) aufgespalten werden, damit sie ins Blut aufgenommen werden. Xenical® hemmt diese Enzyme, womit eine Reduktion der ins Blut aufgenommenen Fettmenge um 30 Prozent erzielt wird. Der Rest an Fett wird mit dem Stuhl ausgeschieden. Über weitere Details der Wirkung und insbesondere auch der Nebenwirkungen informieren wir Sie gerne. 
Gewichtsverlust unter Einnahme von Xenical (4 Jahre)

Weitere medikamentöse Therapiekonzepte

Neben der Therapie mit Saxenda® und Xenical® setzen wir weitere Konzepte ein, bei welchen wir die Nebenwirkungen einer Therapie für die Gewichtsabnahme ausnutzen. Bei diesen Therapien handelt es sich um solche ausserhalb des Indikationsbereichs, die jedem Arzt erlaubt sind, aber nicht von der Krankenkasse bezahlt werden. Zum Teil setzen wir Medikamente ein, die zum Beispiel in Amerika für die Übergewichtsbehandlung zugelassen sind, in der Schweiz aber nicht.
Ob eine solche Therapie überhaupt für Sie infrage kommt beziehungsweise sogar erforderlich ist, erfahren Sie ebenfalls nach der ausführlichen Eingangsuntersuchung.
Weitere medikamentöse Therapiekonzepte
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